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Keine Angst vor Emotionen

 

Emotionen sind meist eine Reaktion auf einen bestimmten Auslöser. Der Begriff Emotion ist von dem lateinischen Wort emovere abgeleitet und das bedeutet herausbewegen. Und Emotionen bewegen uns wortwörtlich. Sie entstehen meist spontan und übernehmen die Kontrolle über unser Verhalten. Das kennst du vielleicht bei dem Thema Angst oder Trauer. Du kannst dich nicht mal eben dazu entschließen z.B. keine Angst mehr zu haben.

Emotionen, besonders beim Essen, sind nichts grundsätzlich Schlechtes. Die meisten Menschen genießen ihr Essen und kennen auch das wohltuende Gefühl nach dem Essen. Entspannung, Glücksgefühle und Genuss können dann unseren Körper durchströmen. Durch diesen Gefühlscocktail lernen wir, das Essen hilft uns gut zu fühlen.

Nutzen wir Essen häufig für das Herstellen eines Entspannungszustandes, beruht das darauf, dass wir vorher nicht entspannt waren. Das ist auch der Grund, warum es sich lohnt, einmal genauer hinzusehen bzw. in sich hineinzuspüren.

Lösungsversuche in Form von Tricks zur Ablenkung sind daher leider nicht nachhaltig und wenig geeignet, um mit unserem Essverhalten mehr in Balance zu kommen. (1)

Es sind im übrigen unsere Gedanken, die unsere Werte, Erfahrungen, Erinnerungen und Bewertungen widerspiegeln. Diese Gedanken erzeugen Emotionen und diese Emotionen lösen ein (erlerntes) Verhalten wie z.B. Essdrang aus.

Es gibt z.B. eine interessante Studie, die Cornelia Fiechtl in ihrem Buch Food Feelings beschreibt.

Darin geht es um Binge Eating (übermäßiges Hineinstopfen von Lebensmitteln). In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass Menschen mit dieser Essstörung zu Grübelkreisläufen neigen.

Häufige Gedanken waren:

-          Ich genüge nicht.

-          Ich muss besser werden.

-          Ich bin unbeliebt.

-          Ich bin zu dick.

-          Ich bin zu dumm.

-          Ich mache alles falsch.

-          Ich bekomme nichts hin.

Zusammengefasst waren das alles Gedanken, die auf ein schlechtes Selbstwertempfinden hindeuten. Es geht also um eine Bedrohung des eigenen Selbstwertes.

Diese Gedanken führen zu Emotionen wie Schuld, Scham, Trauer oder Wut.

Nicht immer gibt es für diesen Automatikmodus Essdrang, der ausgelöst wird, einen plausiblen Grund. Der Schein trügt aber. Bei intensiven emotionalen Erfahrungen, wenn wir zudem müde, ausgelaugt oder energielos sind übernimmt das Emotionszentrum im Gehirn die Kontrolle und greift zur erlernten gut erprobten Lösungsstrategie. Im Fall von Essdrang eben dem Essen.

Cornelie Fiechtl beschreibt in ihrem Buch auch ein Beispiel indem bei der Gefährdung des Selbstwertes gegessen wird. Für tiefere Informationen empfehle ich ihr Buch Food Feelings. (1)

 

Nun muss ich aber noch etwas Wichtiges betonen: Es muss nicht hinter jedem Essanfall ein emotionaler Auslöser stecken. Manchmal liegt es schlicht und einfach an einer Unterversorgung des Körpers mit notwendigen Nährstoffen und/oder Energie.

Eins meiner wichtigsten Learnings, während meines Lebens, war der Umgang mit Emotionen oder auch Gefühlen. Zwischen Emotionen und Gefühlen gibt es eine Differenzierung, die ich aber in diesem Zusammenhang nicht wichtig finde. 

Ich beziehe mich in diesem Text auf Emotionen.

 

Der wichtigste Schritt, um mich abzugrenzen und überhaupt die Beziehung zu mir selbst aufzubauen, war das bewusste Fühlen und Wahrnehmen. Also das Aushalten meiner Gefühle und nicht mehr zu verdrängen. - WICHTIG: In Einzelfällen, z.B. im Falle starker Traumatisierung, ist Verdrängung natürlich eine sinnvolle Strategie bzw. notwendig um überhaupt den eigenen Alltag zu bestreiten. Das war bei mir nicht der Fall.-

 

Ich habe mich oft abgelenkt, um Emotionen nicht zu spüren. Das war mir aber nicht bewusst. Denn dieser Vorgang passiert blitzschnell. Bauen wir keinen bewussten Stopp-Moment ein und nehmen uns dieses Hineinfühlen und kurz innehalten nicht bewusst vor, dann funktioniert die Selbstbeobachtung nicht. Essen ist ein schnell verfügbares Mittel. Und nicht nur das Essen hilft bei der Ablenkung. Es kann auch das ständige in Bewegung sein, arbeiten, die Zigarette etc. oder alles sein. Um unangenehme Gefühle wie Scham, Schuld, Trauer oder Angst nicht zu fühlen. Ich kenne übrigens auch die Mischung aus mehreren Ablenkungen.

Oftmals bekommen wir auch den Umgang mit schwierigen Emotionen nicht neigebracht oder aogar das Gegenteil. Manchmal wird uns genau diese Ablenkung von schwierigen Emotionen bereits in der Kindheit anerzogen. Eltern die Schwierigkeiten mit den eigenen Emotionen haben, haben diese ebenfalls mit den Emotionen ihrer Kinder. Oftmals wird z.B. Essen eingesetzt um ein trauriges oder quengelndes Kind abzulenken. Dabei sind negative Gefühle und Emotionen nicht gefährlich. Sie sind unangenehm, aber in "normaler" Dosis (Ich meine hier natürlich keine Retraumatisierung!) tun sie uns nichts. 

Ich selbst habe mich einfach nach und nach getraut ein bisschen mehr in mich hineinzufühlen. Mich zu fragen, was liegt z.B. hinter meinen Ablenkungen. Das alles kann im eigenen Tempo passieren. Deshalb bin ich übrigens so ein Logosynthese -Fan. Die Logosynthese wirkt unglaublich sanft und immer im eigenen Tempo. Schicht für Schicht.

Bei sehr schwierigen Themen ist allerdings auch hier professionelle Begleitung empfohlen.

 

Durch das bewusste Wahrnehmen meiner Emotionen, also die Zuwendung zu mir selbst, habe ich nach und nach die Beziehung zu mir selbst verbessert. Ich finde es nämlich äußerst schwierig von jetzt auf gleich in den Modus Selbstliebe zu wechseln. Ich denke jede Beziehung und deren Aufbau braucht Zeit. Das gilt auch für die Beziehung zu uns selbst.

  

Der nächste wichtige Punkt bzgl. meiner Emotionen war eine andere Bewertung dieser.

Ich habe sie geachtet, aber gleichzeitig nicht mehr überbewertet. Ich muss nicht ständig alle meine Gefühle/Emotionen überbewerten. Achten ja, aber wie ich damit umgehe, unterliegt meiner Entscheidung. Ich bin meiner emotionalen Achterbahn nicht willenlos ausgeliefert. Manchmal kommen und gehen die Emotionen in Wellen. Ein auf und ab. Auch das hat mir die Furcht davor genommen. Alles was kommt, geht auch wieder. So ähnlich wie Wehen, für die Mütter unter uns. Ich frage mich heute lieber ganz neutral nach dem Auslöser und wenn es einen gibt, dann kann ich ihn oftmals kurz-Oder langfristig ändern. Denn der Auslöser meiner Emotionen sind Gedanken und meine Bewertungen dieser. Dieses Hinschauen ist wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Nämlich in die zu mir selbst. 

Manche Gedanken sind vollkommen unsinnig. So z.B. Schreckensszenarien in der Zukunft, dennoch werden dadurch Emotionen ausgelöst, die uns dann ständig belasten.

Da lohnt es sich doch mit der Taschenlampe hinzuleuchten und so manches „selbstgemachte“ Leid zu lindern.

Aus genau diesem Grund finde ich es auch so unglaublich wichtig, sich niemals für das eigene Essverhalten zu verurteilen, sondern zu verstehen.

Unser Essverhalten und gerade das unerwünschte kann genau das Hilfsmittel sein, um uns selbst näher zu kommen und uns wieder besser wahrzunehmen. Also wortwörtlich „Selbstbewusstsein“ für uns und unsere Bedürfnisse zu entwickeln. Für mich bietet die Auseinandersetzung mit diesem eine riesige Chance für ein bewussteres Leben.

Statt einfach drauf loszuessen oder sich hinterher zu verurteilen, sollten wir uns immer häufiger fragen: Was löst jetzt gerade das Bedürfnisse zu essen in mir aus?

  

Genau das würde ich mir aufschreiben. Ich empfehle einfach, aus reiner Neugier und nicht aus Kontrolle, ein Tagebuch zu führen. 

 

Ich wünsche dir viele interessante Erkenntnisse! 💚

 

Quelle: 1)      Fiechtl, Cornelia: Food Feelings – Wie Emotionen bestimmen, was wir essen. Wien 2022

 

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